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Besser kommunizieren - glücklicher leben

Leon hat Karlas Puppe schon wieder versteckt. Sie war auf 180. Der Rotzbengel raubte ihr auch an diesem Wochenende den letzten Nerv. Ihr Mann schaute nicht von der Zeitung auf. Er seufzte. Irgendwas ging schief. Gleich würde sie explodieren. Eine Bemerkung, eine Reaktion und eine Kaskade von Möglichkeiten, sie zu interpretieren. Was passiert zwischen Menschen, wenn sie miteinander reden? Mal funktioniert es ohne Probleme, dann wieder rappelt es im Karton.

"Du hast dir aber ein schönes Auto gekauft, Sonderangebot genutzt, was?" Der Satz, von Nachbar zu Nachbar gesprochen, lässt viele Interpretationen zu. Offene Bewunderung, Neid, Häme ... das Spektrum ist groß. Das ist das Vermaledeite an der Kommunikation: Sie ist nicht gerade einfach. Unabhängig davon, was wir sprechen, sagen wir immer mehr, als die Worte bedeuten. Vier Ebenen hat der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (*1921 + 2007) entdeckt. Wenn unser Nachbar, der das Auto bewunderte, mit dem frisch gebackenen Autobesitzer spricht, schiebt er ihm praktisch einen 'Schichtkuchen' rüber. Da ist zunächst einmal eine reine Feststellung. Wir spüren aber sofort: Da steckt mehr dahinter. Vielleicht trägt er sich mit dem Gedanken, selbst ein Auto kaufen zu wollen und braucht vom Käufer Tipps. Watzlawick sagt, das ist die Appellebene: "Wie hast du das gemacht? Erzähl mal." Und gleichzeitig drückt der Redner aus, dass er den anderen als 'Lehrer', als Tippgeber anerkennt. Er beschreibt auf dieser Ebene die Beziehung. Er selbst offenbart ein Hilfegesuch. Das ist die vierte Ebene.

Da hat man nur einen einzigen Satz gesagt und schon so viel ausgedrückt.

Dabei haben wir uns erst den sprechenden Nachbarn angeschaut. Spannend wird es dann, wenn wir uns den "Empfänger" vornehmen. Der hört nämlich auch auf vier Ebenen oder: 'mit vier Ohren'. Er hört die 'Sachinformation'. Das ist das eine, aber dann hört er den Appell, oder besser das, was er daraus macht. Vielleicht hört er ja nicht: "Erzähl mal, wie du das gemacht hast.", sondern "Ohne Sonderangebot hättest du dir das nie leisten können." Und empfängt auf der Beziehungsebene, dass der Sprechende sich moralisch für besser hält. Was gleichzeitig offenbart, dass unser Empfänger ein etwas verunsicherter Mensch ist. Entscheidend ist: Der Empfänger sucht sich die Ebene aus, auf der er hören will.

"Ich lese Zeitung. Bitte störe mich nicht."

Jetzt wird schon etwas klarer, warum Kommunikation die Welt der Missverständnisse ist. Es ist kein Wunder. Irgendwann lernen wir brabbeln, dann sprechen ... manche kommen über das erste Stadium gar nicht hinaus ... und niemand hat uns erklärt, dass da mehr ist als das gesprochene Wort. Dabei kommunizieren wir ständig. Immer. Paul Watzlawick stellte fest: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Um es positiv auszudrücken: Alles ist Kommunikation.

So betrachtet ist der Ansatz, zu verkünden, dass Frauen mehr kommunizieren als Männer und über mehr Kommunikationseinheiten verfügten, zwar populär, aber Unfug. Wenn sie erzählt und er Zeitung liest, heißt das nicht, dass er nicht kommuniziert. Er kommuniziert schon etwas. Nämlich: Ich lese Zeitung. Bitte störe mich nicht. Im Moment sind mir die gedruckten Informationen wichtiger als das Gespräch mit dir. Ich brauche meine Ruhe.

Da sind sie wieder ... die vier Ebenen, dabei hat unser Mann gar nichts gesagt.

In dem Mann hat sich vorher etwas abgespielt und er hat eine Entscheidung getroffen. Wir alle haben in uns ein Team, das sich im ständigen Dialog befindet. Abwägt, diskutiert, rumstreitet, bis letztendlich einer eine Entscheidung trifft und 'es' raus lässt. Wir können uns vorstellen, dass im inneren Team des Zeitung lesenden Mannes beispielsweise der Angestellte lebt und gleich neben ihm der Familienvater, den Ehemann sollten wir nicht vergessen, den Fußballfan auch nicht. Da gibt es vielleicht noch den Hobbygärtner, den Spaßvogel, den Faulpelz, den Neugierigen, den Empfindlichen und noch viele mehr. Das innere Team, das ist die Versammlung all unserer Rollen, die uns ausmachen. Die in uns arbeiten. Das erklärt, warum wir an unterschiedlichen Tagen unsere Entscheidungen ändern. Ein anderes Mitglied hat in dem Prozess die Oberhand gewonnen und diesmal wird es eben so entschieden.

Wenn sich unser inneres Team uneins ist, kommt nicht sehr viel Klares heraus. Im Gegenteil, dann wird es konfus.

An diesem Tag haben sich im inneren Team unseres Mannes der Faulpelz und der Neugierige durchgesetzt. Sie sind verantwortlich dafür, dass er Zeitung liest, während seine Ehefrau ihm etwas erzählen will.

In uns agiert ein inneres Team mit vielen Interessen

Ach ja. Die Frau. Auch sie hat selbstverst�ndlich ein inneres Team. Kreieren wir es schnell: Die Organisatorin. Die Verantwortliche für Haus, Kinder und Familie. Die Richterin, die immer wieder die Streitfälle der Kinder schlichten muss. Die Sportlerin. Die Finanzverantwortliche. Die Mitteilsame. Auch hier könnten wir eine riesige Mannschaft aufzählen.

Wenn die Heldin unserer kleinen Kommunikationsgeschichte nun einfach loslegt und erzählt, dass der kleine Leon zum x-ten Mal die Puppe der Karla versteckt hat und erwartet, dass ihr Göttergatte gebannt an ihren Lippen hängt, dann wird sie enttäuscht sein. Das klappt nicht. Der wird ein-, zweimal 'Hm' grunzen und weiterlesen.

Vier Ebenen ...

Vier Ohren

Innere Teams, wohin man blickt.

Verstehen Sie jetzt, warum es in der Kommunikation immer wieder zu Missverständnissen kommt?

Wenn uns etwas wichtig ist, sollten wir überlegen, wie wir es an den Adressaten bringen. Sollten uns in den anderen 'hineinfühlen', erkunden, wer in seinem inneren Team der Ansprechpartner ist - die Kommunikationswissenschaft spricht hier von 'Empathie'.

Dann vergrößern wir die Chance, verstanden zu werden. Oder im Fall unseres Zeitungslesers - erst mal gehört zu werden. Das Naheliegende wäre, die Ehefrau wendet sich an die Rolle des 'verlässlichen Ehemannes'. Aber jede Wette - da scheitert sie. Denn der hat - dank des Neugierigen und des Faulpelzes - gerade Pause. Eine Möglichkeit wäre, den Neugierigen zu ködern: "Du glaubst es nicht! Du hast keine Vorstellung, was Leon gerade gebracht hat!"

Klarheit hilft Missverständnisse zu vermeiden. Will der Autobewundernde Nachbar nicht Gefahr laufen, als Neider zu gelten, wäre eine Botschaft an den frisch gebackenen Autobesitzer von Vorteil: "Ich hab ja auch schon überlegt, wie das geht." Dann wäre der Appell klarer: "Gib mir mal einen Tipp." Der unsichere Nachbar wäre gebauchpinselt und hilfsbereit.

Wir könnten die Chance, besser verstanden zu werden, steigern, wenn wir wüssten, wie unser Gegenüber denkt, wie er tickt. Wir verarbeiten Informationen unterschiedlich. Die Einen denken visuell, sie speichern ihre Gedanken in Bildern, Andere 'denken mit den Ohren', sie hören ihre Gedanken, erinnern sich eher an Gesagtes als an Bilder. Die Dritten arbeiten eher mit Gefühltem. Das Schöne ist, dass unsere Augen unser Referenzsystem - unsere Informationsverarbeitung - verraten.

Lernen, besser zu kommunizieren

Schaut unser Gegenüber während des Sprechens oft nach oben, denkt er in Bildern. Weil die Augen nahe am Hirn sind, scannen diese Organe die Gehirnspeicherplätze ab und verraten so das Referenzsystem. Bei den eher hörend Denkenden - den Auditiven - wandern die Augen auf der Mittellinie.

Die 'Fühlenden' sehen eher in die rechte untere Ecke des Auges. Logischerweise ist niemand absolut einseitig. Meistens haben wir eine vorherrschende Art zu denken und eine zweite, die das unterstützt.

Wenn wir nun jemanden, der auditiv denkt, mit Bildern vollknallen, wird er uns zwar hören, aber nicht verstehen. Wissen wir, wie der Gesprächspartner denkt, können wir sein Referenzsystem bedienen und unsere Kommunikation verbessern.

Und wir können lernen, besser zu kommunizieren. Den anderen besser zu verstehen. Denn:

Sprechen lernen wir in Kindertagen, uns verständlich machen ein Leben lang. Ein Seminar kann dabei Augen öffnen.